VATM-Breitbandstudie: Halb Deutschland kann bald Gigabit-Anschlüsse buchen

Andreas Frischholz
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VATM-Breitbandstudie: Halb Deutschland kann bald Gigabit-Anschlüsse buchen
Bild: Unitymedia

Mit dem Ausrollen von DOCSIS 3.1 im Kabelnetz nahm der Gigabit-Ausbau in Deutschland an Fahrt auf. Laut der Marktanalyse vom alternativen Provider-Verband VATM könnten bis Ende Juni bereits die Hälfte der Haushalte mit Gigabit-Anschlüssen versorgt sein. Das Problem bleiben die nicht ans Kabelnetz angeschlossenen Haushalte.

Durchgeführt wurde die Marktanalyse von der Beratungsfirma Dialog Consult unter Leitung des TK-Marktexperten Professor Torsten J. Gerpott im Auftrag des VATM. Grundlagen der Studie sind eine Befragung der VATM-Mitgliedsunternehmen im Februar 2020 sowie Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen.

Eine erste Einschätzung von Gerpott für den Breitbandmarkt ist positiv. Insgesamt sei die Lage „hoffnungsfroh“, trotz der schwierigen Zeit angesichts der Corona-Pandemie. Das liege vor allem an den Fortschritten im Kabelnetz. „Das Glas beim Gigabit-Ausbau ist nicht halb leer, sondern halb voll“, so Gerpott.

Rasantes Gigabit-Wachstum im Kabelnetz

Generell kommt der Gigabit-Ausbau weiterhin gut voran. Ende 2019 waren es knapp 18,5 Millionen verfügbare Gigabit-Anschlüsse. Für Ende Juni 2020 werden rund 24 Millionen prognostiziert – zumindest, wenn die Corona-Pandemie den Ausbau nicht massiv bremst. Der Großteil dieser Anschlüsse entfällt auf das Kabelnetz. In diesem Bereich wird ein Wachstum von 14,3 Millionen Anschlüssen Ende 2019 auf 19,2 Millionen bis zur Jahresmitte erwartet. Die Anzahl der direkten Glasfaseranschlüsse (FTTB/H) wächst in diesem Zeitraum demnach von rund 4,1 Millionen auf 4,75 Millionen verfügbare Anschlüsse.

Verfügbar ist eines der entscheidenden Stichworte. Denn nicht jeder Haushalt, der einen Gigabit-Anschluss buchen kann, nutzt diesen auch. Von den insgesamt rund 24 Millionen verfügbaren Gigabit-Anschlüssen sollen bis Mitte des Jahres gut 25 Prozent verwendet werden – damit sinkt diese sogenannte Take-Up-Rate im Vergleich zu Ende 2019, damals lag sie noch bei 27 Prozent. Anbieter von FTTB/H-Anschlüssen haben im Vergleich zu den Kabelnetzbetreibern mit 34,7 Prozent eine etwas höhere Rate. Der Grund liegt in den Ausbaugebieten. Die entsprechenden Netzbetreiber sind eher in Regionen aktiv, die keine alternative Infrastruktur bieten – Kunden haben in solchen Fällen also keine Wahl zwischen den Anbietern.

Anzahl der FTTB/H-Anschlüsse von Telekom und den Wettbewerbern
Anzahl der FTTB/H-Anschlüsse von Telekom und den Wettbewerbern (Bild: VATM)

Bei den Anschlüssen zeigt sich derweil das Gefälle im Breitbandmarkt. Gigabit-Anschlüsse stammen von den FTTB/H-Anbietern sowie den Kabelnetzbetreibern – und vor allem die Kabelnetzbetreiber sind laut Gerpott im Vorteil. Das Netz und die Coax-Kabel bieten mit dem Umstieg auf DOCSIS 3.1 ausreichende Kapazitäten, mit Soft- und Hardware-Update lassen sich so die hohen Bandbreiten ohne groß angelegte Tiefbauarbeiten realisieren. Die Deutsche Telekom mit ihren Kupferkabeln erreiche diese Geschwindigkeiten nicht. Und trotz verstärkter Ausbauaktivitäten bleiben FTTB/H-Anschlüsse beim Bonner Konzern eine Nische. So wird die Telekom laut der Prognose Ende Juni 2020 auf knapp 1,8 Millionen FTTB/H-Anschlüssen kommen – gut 300.000 davon nutzen die Kunden.

Trotz Doppelausbau: Mehr als die Hälfte der Haushalte kann bald Gigabit nutzen

Ein Problem bleiben die Überschneidungen. Manche Haushalte sind nicht versorgt, während andere sowohl zwischen FTTB/H- als auch Kabel-DOCSIS-3.1-Anschlüssen wählen können. Daher sind es der Studie nach insgesamt nur gut 21 Millionen Haushalte (und nicht 24 Millionen), die bis Ende Juni 2020 einen Gigabit-Anschluss buchen können. Angesichts der 41,9 Millionen Haushalte in Deutschland sind das aber bereits 51,1 Prozent – und damit mehr als die Hälfte.

Gigabit: Trotz Doppelausbau rund 21 Millionen Anschlüsse verfügbar
Gigabit: Trotz Doppelausbau rund 21 Millionen Anschlüsse verfügbar (Bild: VATM)

Die zweite Hälfte wird aber schwieriger. „Die Low-Hanging-Fruits werden bald erschlossen sein“, sagte Gerpott. Das sind die rund zwei Drittel der Haushalte, die an das Kabelnetz angebunden sind und sich somit leichter umstellen lassen. Für den Rest reichen Soft- und Hardware-Updates nicht aus. Dort sind die Tiefbauarbeiten notwendig, die deutlich mehr kosten.

Maßnahmen statt Ankündigungspolitik

Was die Corona-Pandemie indes zeige, sei der Bedarf von hohen Bandbreiten. Der Datenverkehr steigt. Das verdeutlichen nicht nur die Zahlen vom Frankfurter Internet-Knotenpunkt DE-CIX, sondern auch die Mitglieder vom VATM. Sowohl Unternehmen als auch Behörden und Privathaushalte stocken demnach die Bandbreiten auf.

Strategisch geht es um die Frage, wie sich der Ausbau weiter voranbringen lässt. Das Ziel der Bundesregierung bleibt eine flächendeckende Gigabit-Infrastruktur bis 2025. 50 Prozent sind abgedeckt, 50 Prozent fehlen noch, erklärt daher VATM-Präsident Martin Witt. Nun müsse sich die Politik von einer „Ankündigungspolitik“ wegbewegen und mehr handeln. Was dem VATM neben den klassischen Vorschlägen wie weniger Bürokratie und effizienter Förderung vorschwebt, ist eine Prämie für direkte Glasfaser-Anschlüsse. Bürger und Unternehmen sollen eine Gutschrift erhalten, wenn sie einen FTTB/H-Anschluss buchen. Mit so einem Anreiz soll sich der Anteil der Haushalte erhöhen, die einen verfügbaren Anschluss tatsächlich nutzen. „Von einer möglichst guten Take-Up-Rate hängen letztlich die Investitionen aller privaten Anbieter, aber auch der Telekom ab“, so Witt.

Bei bislang umgesetzten Maßnahmen wie einfacheren Genehmigungsverfahren gibt es bereits gute Erfahrungen. In vielen Bereichen könnten Ausbauvorhaben leichter umgesetzt werden. Das seien aber vor allem Erfahrungen aus Einzelfällen, allgemeine Erkenntnisse würden noch nicht vorliegen.